Zum Deutlichkeitsgebot bei Abfassung einer Widerrufsbelehrung

BGH, Urteil vom 4. Juli 2002 – I ZR 55/00

Die einem Verbraucher mit dem Zusatz, der Lauf der Widerrufsfrist beginne „nicht jedoch, bevor die auf Abschluß des Vertrages gerichtete Willenserklärung vom Auftraggeber abgegeben wurde“, erteilte Widerrufsbelehrung entspricht nicht dem Deutlichkeitsgebot des § 355 Abs. 2 Satz 1 BGB.

(Leitsatz des Gerichts)

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 7. Zivilsenats des
Oberlandesgerichts Naumburg vom 27. Januar 2000 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 5. Zivilkammer
– Kammer für Handelssachen – des Landgerichts Dessau vom
4. August 1999 wird zurückgewiesen.

Die Kosten der Rechtsmittel hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Beklagte befaßt sich mit der Durchführung von Maler- und Dachdeckerarbeiten.
Am 2. Oktober 1997 suchte einer ihrer Mitarbeiter einen Hauseigentümer
unangemeldet in dessen Wohnhaus auf und bot ihm eine Dachsanierung
zu einem Festpreis an. Auf dem von dem Mitarbeiter der Beklagten vorgelegten
vorgedruckten Auftragsformular der Beklagten, das der Hauseigentümer
im Lauf des Gesprächs unterzeichnete, befand sich links unten eine
schwarz umrahmte Widerrufsbelehrung mit folgendem Wortlaut:

„Der Auftrag kann innerhalb einer Woche schriftlich bei der Firma …
widerrufen werden. Zur Wahrung dieser Frist genügt rechtzeitige
Absendung des Widerrufs. Der Lauf der Widerrufsfrist beginnt mit
Aushändigung dieser Vertragsurkunde, nicht jedoch, bevor die auf
Abschluß des Vertrages gerichtete Willenserklärung vom Auftraggeber
abgegeben wurde.“

Der klagende Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände
hat die Verwendung des Auftragsformulars mit der Begründung
als wettbewerbswidrig beanstandet, die Widerrufsbelehrung verstoße gegen § 2
Abs. 1 des Gesetzes über den Widerruf von Haustürgeschäften und ähnlichen
Geschäften (HWiG a.F.). Der im letzten Satz der Widerrufsbelehrung enthaltene,
mit den Worten „nicht jedoch, bevor …“ beginnende Satzteil stelle eine unzulässige,
weil im Gesetz nicht vorgesehene Erweiterung der Belehrung dar
und sei zudem geeignet, den Kunden zu verwirren.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Androhung von Ordnungsmitteln zu verurteilen,
es zu unterlassen,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs im Zusammenhang
mit dem Abschluß von Werkverträgen im Bereich der
Privatwohnung eines Kunden dem Kunden keine den Anforderungen
des Haustürwiderrufsgesetzes genügende Widerrufsbelehrung
zu erteilen, insbesondere dem Kunden eine Widerrufsbelehrung zu
erteilen, die folgende zusätzliche Erklärung bei dem Hinweis enthält,
daß der Lauf der Widerrufsfrist mit Aushändigung der Vertragsurkunde
beginnt: „… nicht jedoch, bevor die auf Abschluß des
Vertrages gerichtete Willenserklärung vom Auftraggeber abgegeben
wurde.“

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Sie hat den Standpunkt
vertreten, die von ihr verwendete Widerrufsbelehrung sei eindeutig und auch für
den Verbraucher unmißverständlich. Der Hinweis, daß der Lauf der Widerrufsfrist
nicht vor Abgabe der auf Abschluß des Vertrages gerichteten Willenserklärung
des Auftraggebers beginne, sei zur Klarstellung insbesondere in den Fällen
notwendig, in denen sich Auftraggeber erst nach einer Bedenkzeit zur Vertragsunterzeichnung
entschließen würden. In diesen Fällen vergäßen Kunden
verschiedentlich die gesonderte Unterzeichnung der Widerrufsbelehrung, was
die Vertragsabwicklung erschwere. Deshalb lasse man in solchen Fällen den
Kunden die Widerrufsbelehrung unterschreiben, auch wenn er den Auftrag
selbst noch nicht unterschrieben habe.

Das Landgericht hat der Klage antragsgemäß stattgegeben. Auf die Berufung
der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen (OLG
Naumburg OLG-Rep 2000, 279).

Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Revision des Klägers, mit der er
die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt. Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

I. Das Berufungsgericht hat den vom Kläger geltend gemachten Unterlassungsanspruch
mit der Begründung verneint, der beanstandete Teil der Widerrufsbelehrung
verstoße nicht gegen § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG a.F. Hierzu hat
es ausgeführt:

Die Bestimmung des § 2 Abs. 1 Satz 3 HWiG a.F. schließe nicht jeden
Zusatz zu der Belehrung aus. Diese dürfe nur keine Erklärungen mit deutlich
anderem Inhalt als die vom Gesetz vorgesehenen aufweisen. Da das Verbot,
andere Erklärungen mit der Belehrung zu verbinden, deren Übersichtlichkeit
und Hervorhebung abzusichern bezwecke, seien solche Ergänzungen zulässig,
die die Widerrufsbelehrung in ihrem gebotenen Inhalt verdeutlichten. Dies sei
bei dem vom Kläger beanstandeten Teil der Widerrufsbelehrung der Beklagten
der Fall. Die von dieser geschilderte Vorgehensweise, den nicht zur sofortigen
Auftragserteilung entschlossenen Kunden ein Auftragsformular mit der Bitte zu
überlassen, die Widerrufsbelehrung sogleich zu unterschreiben, sei rechtlich
zulässig. Für solche Fälle sei der beanstandete Zusatz notwendig, um zu verdeutlichen,
wann die Widerrufsfrist zu laufen beginne; ansonsten könnte bei
den Kunden der unzutreffende Eindruck entstehen, daß die Frist schon vor seiner
Unterschrift unter den Auftrag abgelaufen sei. Wenn die Unterschriften unter
den Vertrag und die Widerrufsbelehrung gleichzeitig erfolgten, sei der Zusatz
zwar überflüssig, aber immerhin nicht falsch. Die verwendete Formulierung
sei aus der Sicht eines Verbrauchers auch nicht so schwierig, daß für ihn nicht
zumindest bei einiger Überlegung deutlich werde, was mit ihr gemeint sei. Mit
der gewählten Formulierung werde die gesetzliche Vorgabe erfüllt, daß der
Kunde für jeden denkbaren Fall eindeutig über sein Widerrufsrecht und über die
Berechnung der Frist hierfür zu informieren sei.

II. Die gegen diese Beurteilung gerichteten Angriffe der Revision haben
Erfolg und führen zur Wiederherstellung des der Klage stattgebenden landgerichtlichen
Urteils. Das Berufungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen,
daß das von der Beklagten benutzte Auftragsformular den gesetzlichen Voraussetzungen
entspricht, die bei Haustürgeschäften für die dem Kunden zu erteilende
Widerrufsbelehrung gelten. Die Verwendung eines solchen Auftragsformulars
ist wettbewerbswidrig i.S. des § 1 UWG.

1. Die Frage, ob der klagegegenständliche Unterlassungsanspruch begründet
ist, beurteilt sich angesichts dessen, daß der Anspruch in die Zukunft
gerichtet ist, nach dem im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung geltenden
Recht (st. Rspr.; vgl. BGHZ 141, 329, 336 – Tele-Info-CD; BGH, Urt. v.
9.11.2000 – I ZR 185/98, GRUR 2001, 348, 349 = WRP 2001, 397 – Beratungsstelle
im Nahbereich; Urt. v. 25.10.2001 – I ZR 29/99, WRP 2002, 679, 680
– Vertretung der Anwalts-GmbH; Urt. v. 11.4.2002 – I ZR 306/99, WRP 2002,
832, 833 – Postfachanschrift, m.w.N.). Insoweit sind daher nunmehr die aufgrund
des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November
2001 (BGBl. I S. 3138) am 1. Januar 2002 in Kraft getretenen Bestimmungen
des § 312 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB einschlägig, die ihrerseits auf die ebenfalls
zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Vorschriften der § 355 Abs. 1
Satz 2, Abs. 2 Satz 1 und 2, § 357 Abs. 1 und 3 BGB verweisen.

2. Nach dem Wortlaut des § 355 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB
ist die Frage, ob eine Widerrufsbelehrung, die den Hinweis auf den Beginn der
Widerrufsfrist mit Aushändigung der Vertragsurkunde mit dem einschränkenden
Zusatz „nicht jedoch, bevor die auf Abschluß des Vertrages gerichtete Willenserklärung
vom Auftraggeber abgegeben wurde“ verbindet, den gesetzlichen
Anforderungen entspricht, ebensowenig eindeutig zu beantworten wie nach
dem bisherigen Recht (vgl. für die Zeit bis zum 30. September 2000 § 2 Abs. 1
Satz 1 bis 3 HWiG a.F. und nachfolgend bis zum Inkrafttreten des
Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes § 361a Abs. 1 Satz 2 bis 4 BGB in der
Fassung des Gesetzes über Fernabsatzverträge und andere Fragen des Verbraucherrechts
sowie zur Umstellung von Vorschriften auf Euro vom 27. Juni 2000,
BGBl. I S. 897). Die Regelungen des alten wie auch die des neuen Rechts
knüpfen hinsichtlich des Beginns der Widerrufsfrist jeweils an die Erteilung der
Widerrufsbelehrung an, regeln aber nicht ausdrücklich, zu welchem Zeitpunkt
diese zu erteilen ist. Ihrem Wortlaut läßt sich nicht eindeutig entnehmen, ob die
Belehrung vor der Abgabe der auf den Abschluß des Vertrages gerichteten
Willenserklärung des Verbrauchers zulässig und, da die Frist zum Widerruf jedenfalls
nicht vor der Abgabe der auf den Abschluß des Vertrages gerichteten
Willenserklärung des Verbrauchers beginnen kann (vgl. Soergel/Wolf, BGB,
12. Aufl., § 2 HWiG Rdn. 4; Fischer/Machunsky, Haustürwiderrufsgesetz,
2. Aufl., § 2 Rdn. 45; Staudinger/Kessal-Wulf, BGB [2001], § 7 VerbrKrG
Rdn. 39; MünchKomm.BGB/Ulmer, 3. Aufl., § 2 HausTWG Rdn. 4; vgl. auch
MünchKomm.BGB/Ulmer, 4. Aufl., § 361a Rdn. 40 und Klauss/Ose, Verbraucherkreditgeschäfte,
2. Aufl., § 2 HausTWG Rdn. 297), ein entsprechender
Hinweis auf den richtigen Fristbeginn in der Widerrufsbelehrung erforderlich,
zumindest aber zulässig ist.

3. Entscheidend ist daher, ob der vom Gesetz mit der Einräumung eines
Widerrufsrechts zugunsten des Verbrauchers verfolgte Zweck mit der von der
Beklagten verwendeten Widerrufsbelehrung erreicht wird. Das ist nicht der Fall.

a) Das nunmehr in § 355 BGB und in Vorschriften, die – wie vorliegend
§ 312 Abs. 1 Satz 1 BGB – auf diese Bestimmung verweisen, geregelte Widerrufsrecht
bezweckt ebenso wie das früher unter anderem in § 2 HWiG a.F., § 7
VerbrKrG a.F. und auch schon in § 1b AbzG a.F. geregelte Widerrufsrecht den
Schutz der Verbraucher. Dieser Schutz erfordert eine möglichst umfassende,
unmißverständliche und aus dem Verständnis der Verbraucher eindeutige Belehrung.
Dem tragen die bei der Belehrung von Gesetzes wegen zu beachtenden
Formvorschriften und inhaltlichen Anforderungen Rechnung (vgl. BGHZ
121, 52, 54 f. – Widerrufsbelehrung I). Der Verbraucher soll durch die Belehrung
nicht nur von seinem Widerrufsrecht Kenntnis erlangen, sondern auch in die
Lage versetzt werden, dieses auszuüben (MünchKomm.BGB/Ulmer, 4. Aufl.,
§ 361a Rdn. 44; Staudinger/Werner, BGB [1998], § 2 HWiG Rdn. 30). Bereits
vor der Vereinheitlichung des Widerrufsrechts bei Verbraucherverträgen durch
§ 361a BGB a.F. entsprach es darüber hinaus der Zielrichtung des Haustürwiderrufsgesetzes
und des Verbraucherkreditgesetzes ebenso wie der des früheren
Abzahlungsgesetzes, den regelmäßig rechtsunkundigen Verbraucher auch
über den Beginn der Widerrufsfrist eindeutig zu informieren und ihn über die
Berechnung nicht im Unklaren zu lassen (vgl. BGHZ 121, 52, 54 f.
– Widerrufsbelehrung I; 126, 56, 62). Dies sieht nunmehr § 355 Abs. 2 Satz 1
BGB ausdrücklich vor. Um die vom Gesetz bezweckte Verdeutlichung des
Rechts zum Widerruf nicht zu beeinträchtigen, darf die Widerrufsbelehrung
grundsätzlich keine anderen Erklärungen enthalten. An diesem in § 2 Abs. 1
Satz 3 HWiG a.F. ausdrücklich normierten Erfordernis hat sich durch die gesetzliche
Neuregelung nichts geändert (vgl. Bülow, VerbrKrG, 4. Aufl., § 7
Rdn. 117). Es kommt nunmehr darin zum Ausdruck, daß § 355 Abs. 2 Satz 1
BGB eine Gestaltung der Belehrung verlangt, die dem Verbraucher seine
Rechte deutlich macht (vgl. insoweit – zu § 1b Abs. 2 AbzG a.F. – BGH, Urt. v.
7.5.1986 – I ZR 95/84, GRUR 1986, 816, 818 = WRP 1986, 660 – Widerrufsbelehrung
bei Teilzahlungskauf; Urt. v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, NJW 1993, 64,
67).

Diese Regelung schließt allerdings nicht schlechthin jeglichen Zusatz zur
Belehrung aus. Ihrem Zweck entsprechend sind Ergänzungen als zulässig anzusehen,
die ihren Inhalt verdeutlichen. Nicht hierzu rechnen jedoch Erklärungen,
die einen eigenen Inhalt aufweisen und weder für das Verständnis noch für
die Wirksamkeit der Widerrufsbelehrung von Bedeutung sind und die deshalb
von ihr ablenken (vgl. BGH GRUR 1986, 816, 818 – Widerrufsbelehrung bei
Teilzahlungskauf; BGH, Urt. v. 8.7.1993 – I ZR 202/91, GRUR 1994, 59, 60 =
WRP 1993, 747 – Empfangsbestätigung).

b) Diesen Anforderungen genügt die von der Beklagten verwendete Widerrufsbelehrung
nicht. Denn sie legt das unrichtige Verständnis nahe, daß
auch Fälle denkbar seien, in denen die Widerrufsfrist nicht bereits mit der Aushändigung
der die Widerrufsbelehrung enthaltenden Vertragsurkunde zu laufen
beginne, sondern erst mit der zeitlich nachfolgenden Abgabe der auf den Abschluß
des Vertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers. Dies ist
jedoch unzutreffend, so daß der von dem Kläger beanstandete Zusatz die Widerrufsbelehrung
nicht in ihrem gebotenen Inhalt verdeutlicht, sondern im Gegenteil
für den in der Regel rechtlich nicht geschulten Verbraucher irreführend
ist.

aa) Insoweit ist – was das Berufungsgericht auch nicht verkannt hat – davon
auszugehen, daß dem Zusatz in denjenigen Fällen, in denen der Verbraucher
seine auf den Abschluß des Vertrages gerichtete Willenserklärung im Zeitpunkt
der Aushändigung der Widerrufsbelehrung bereits abgegeben hat oder
zugleich abgibt, keine sachliche Bedeutung zukommt. Denn in diesen Fällen
beginnt die Frist immer erst mit der Aushändigung der Widerrufsbelehrung zu
laufen, so daß sich der Zusatz hier als überflüssig erweist. Auch ein überflüssiger
Zusatz in einer Widerrufsbelehrung ist aber geeignet, das Verständnis des
Verbrauchers von ihrem wesentlichen Inhalt zu beeinträchtigen, und trägt deshalb
nicht zur Verdeutlichung des gebotenen Inhalts der Belehrung bei. Hinzu
kommt, daß von einem rechtsunkundigen Verbraucher nicht das richtige Verständnis
des in dem Zusatz verwendeten juristischen Fachbegriffs „Abgabe einer
Willenserklärung“ erwartet werden kann.

bb) Die Zulässigkeit des beanstandeten Zusatzes läßt sich aber auch
nicht im Hinblick auf diejenigen Fälle bejahen, für die er gedacht ist, d.h. Fälle,
in denen der Verbraucher den Auftrag erst nach Inanspruchnahme einer Überlegungsfrist
erteilt und die Beklagte ihn deshalb die Widerrufsbelehrung bereits
vorab unterzeichnen läßt. Denn die Erteilung der Widerrufsbelehrung vor Vertragsabschluß
entspricht nicht den gesetzlichen Erfordernissen (ebenso Staudinger/
Wolf, BGB [1998], § 2 HWiG Rdn. 40; a.A. Staudinger/Kessal-Wulf, BGB
[2001], § 7 VerbrKrG Rdn. 39; MünchKomm.BGB/Ulmer, 3. Aufl., § 2 HausTWG
Rdn. 4; MünchKomm.BGB/Ulmer, 4. Aufl., § 361a Rdn. 40; Fischer/Machunsky
aaO) und läßt sich auch nicht mit Praktikabilitätserwägungen rechtfertigen.

(1) Allerdings enthält § 355 BGB ebensowenig wie § 2 HWiG a.F. eine
ausdrückliche Bestimmung darüber, zu welchem Zeitpunkt die Widerrufsbelehrung
zu erteilen ist. Dem mit der Einräumung eines Widerrufsrechts bei Haustürgeschäften
bezweckten Schutz des Verbrauchers widerspricht es jedoch,
daß seine gesetzlich vorgeschriebene Belehrung über das ihm zustehende
Recht zum Widerruf seiner auf den Abschluß des Vertrages gerichteten Willenserklärung
bereits vor deren Abgabe erteilt wird. Die Belehrung soll dem
Verbraucher sein Widerrufsrecht klar und deutlich vor Augen führen. Dieses Ziel
wird aber nur dann erreicht, wenn sich die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung
des Verbrauchers bezieht. Das setzt voraus, daß der Verbraucher
eine solche Vertragserklärung bereits abgegeben hat oder zumindest zeitgleich
mit der Belehrung abgibt. Denn nur unter dieser Voraussetzung steht ihm
eine Entscheidungsfreiheit zu, die durch die Gewährung einer nachträglichen
Überlegungsfrist wiederhergestellt werden soll (vgl. Begr. des Gesetzentwurfs
des Bundesrates zum HWiG, BT-Drucks. 10/2876, S. 7). Dagegen ist eine Widerrufsbelehrung,
die dem Verbraucher bereits vor der Abgabe der Vertragserklärung
erteilt worden ist, von vornherein mit dem mit zunehmendem zeitlichen
Abstand immer größer werdenden Risiko behaftet, daß dieser sie zum Zeitpunkt
der Abgabe seiner Vertragserklärung bereits wieder vergessen hat. Dementsprechend
vermag die dem Verbraucher eingeräumte Bedenkfrist unter dieser
Voraussetzung ihren Sinn nicht zu erfüllen.

Im übrigen kann auch aus der Tatsache, daß der Wortlaut des Gesetzes
dem nicht ausdrücklich entgegensteht, nicht abgeleitet werden, daß der Gesetzgeber
die Erteilung der Widerrufsbelehrung vor Abgabe der auf den Abschluß
des Vertrages gerichteten Willenserklärung des Verbrauchers zulassen
wollte. Die Entstehungsgeschichte des Haustürwiderrufsgesetzes, an dessen
entsprechende Regelung das nunmehr in den §§ 312, 355 BGB bestimmte Widerrufsrecht
des Verbrauchers bei Haustürgeschäften anknüpft, weist nämlich
aus, daß die Belehrung nach der Auffassung des Gesetzgebers jedenfalls nicht
vor Abgabe der Vertragserklärung des Verbrauchers zu erteilen war. Die
Regelungen über die Widerrufsbelehrung in § 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 HWiG a.F.
waren eng an § 1b AbzG a.F. angelehnt (vgl. Begr. des Gesetzentwurfs des
Bundesrates, BT-Drucks. 10/2876, S. 12 f.). Nach dieser Vorschrift mußte die
dem Käufer zu erteilende Widerrufsbelehrung auf der Abschrift seiner auf den
Vertragsschluß gerichteten Willenserklärung enthalten sein und begann die Widerrufsfrist
erst mit der Aushändigung dieser Abschrift zu laufen. Allein schon
im Hinblick darauf kam eine Belehrung vor Abgabe der Vertragserklärung des
Käufers nicht in Betracht (vgl. MünchKomm.BGB/Ulmer, 4. Aufl., § 361a
Rdn. 40 Fn. 91 zu der der nunmehrigen Regelung in § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB
entsprechenden Bestimmung des § 361a Abs. 1 Satz 5 BGB a.F.). Daß nach
§ 2 Abs. 1 Satz 2 und 3 HWiG a.F. die Belehrung nicht auf einer Abschrift der
Vertragserklärung des Kunden anzubringen war, hatte demgegenüber seinen
Grund allein darin, daß die Vertragserklärung des Kunden nach dem Haustürwiderrufsgesetz
nicht der Schriftform bedurfte (vgl. BT-Drucks. 10/2876, S. 13).

(2) Daß die Widerrufsbelehrung bei Haustürgeschäften dem Verbraucher
nicht vor der Abgabe seiner auf den Vertragsschluß gerichteten Willenserklärung
erteilt werden darf, folgt auch aus der Richtlinie des Rates vom
20. Dezember 1985 betreffend den Verbraucherschutz im Falle von außerhalb
von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen (85/577/EWG, ABl. EG Nr.
L 372 vom 31.12.1985, S. 31). Diese ist bei der Auslegung der nationalen
Rechtsvorschriften über das Widerrufsrecht des Verbrauchers bei Haustürgeschäften
ergänzend heranzuziehen (vgl. BGH, Urt. v. 4.5.1994 – XII ZR 24/93,
NJW 1994, 2759, 2760), wobei Divergenzen zu der Richtlinie so weit wie möglich
zu vermeiden sind (vgl. BGH, Urt. v. 26.9.1995 – XI ZR 199/94, NJW 1996,
55, 56; Staudinger/Werner, BGB [1998], Vorbem. zum HWiG Rdn. 42;
MünchKomm.BGB/Ulmer, 3. Aufl., Vor § 1 HausTWG Rdn. 6-8 und 21; Roth,
ZIP 1996, 1285, 1286). Die nationalen Rechtsvorschriften sind so weit wie
möglich unter Berücksichtigung des Wortlauts und des Zwecks der Richtlinie auszulegen
(EuGH, Urt. v. 27.6.2000 – verb. Rs. C-240/98 bis C-244/98, NJW
2000, 2571, 2572 f.). Die richtlinienkonforme Auslegung der nationalen Vorschriften
ist im Streitfall schon deshalb geboten, weil sich die nunmehr in den
§§ 312, 355 BGB enthaltenen Bestimmungen über das Widerrufsrecht des Verbrauchers
bei Haustürgeschäften mit dem Regelungsgehalt der Richtlinie vom
20. Dezember 1985 decken, wobei sie aber – anders als die Richtlinie – die Frage,
zu welchem Zeitpunkt die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher auszuhändigen
ist, nicht ausdrücklich regeln (vgl. Basedow, Festschrift Brandner [1996],
S. 658).

Die Widerrufsbelehrung ist dem Verbraucher nach Art. 4 Abs. 2 Satz 2
Buchst. a der Richtlinie in den Fällen des dortigen Art. 1 Abs. 1 wie namentlich
bei Verträgen zwischen einem Gewerbetreibenden und einem Verbraucher, die
anläßlich eines Besuchs des Gewerbetreibenden in einer Privatwohnung geschlossen
werden (Art. 1 Abs. 1 2. Spiegelstrich Buchst. i der Richtlinie), grundsätzlich
zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses auszuhändigen. Abweichendes
gilt nur in Sonderfällen, in denen die Widerrufsbelehrung dem Verbraucher
spätestens zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses (vgl. Art. 1 Abs. 2 i.V. mit
Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. b der Richtlinie) oder zum Zeitpunkt der Abgabe
seines Angebots (vgl. Art. 1 Abs. 3 und 4 i.V. mit Art. 4 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c
der Richtlinie) auszuhändigen ist, nicht dagegen im – auch vorliegend gegebenen
– Normalfall, daß der Gewerbetreibende den Verbraucher ohne vorhergehende
Bestellung in dessen Privatwohnung aufsucht.

4. Die Verwendung einer gesetzwidrigen Widerrufsbelehrung durch die
Beklagte stellt auch einen Wettbewerbsverstoß im Sinne des § 1 UWG dar. Ein
Vertragsformular, das den Vertragspartner über ein ihm durch Gesetz
eingeräumtes Widerrufsrecht entgegen den gesetzlichen Vorschriften nicht, nicht
vollständig oder nicht richtig belehrt, begründet die Gefahr, daß der die
Rechtslage nicht überblickende Vertragspartner von der Ausübung seines Widerrufsrechts
abgehalten wird, was mit Blick auf das Ausnutzen dieser Rechtsunkenntnis
mit dem Sinn und Zweck des Leistungswettbewerbs und den guten
kaufmännischen Sitten nicht in Einklang steht. Die Beklagte verschafft sich damit
zudem bewußt und planmäßig einen wettbewerbswidrigen Vorsprung vor
gesetzestreuen Mitbewerbern (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 1986, 816, 818
– Widerrufsbelehrung bei Teilzahlungskauf; BGHZ 121, 52, 57 f. – Widerrufsbelehrung
I; BGH WRP 2002, 832, 833 – Postfachanschrift, m.w.N.).

5. Das beanstandete Verhalten der Beklagten berührt wesentliche Belange
der Verbraucher i.S. des § 13 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 UWG (vgl. BGH, Urt. v.
8.6.1989 – I ZR 178/87, GRUR 1989, 753, 754 = WRP 1990, 169 – Telefonwerbung
II; Urt. v. 8.11.1989 – I ZR 55/88, GRUR 1990, 280, 281 = WRP 1990, 288
– Telefonwerbung III).

III. Danach war auf die Revision des Klägers das angefochtene Urteil
aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts
zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.

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